LEGIO III ITALICA

Geschichte der Regensburger Legionsgarnison

(von Florian Himmler)

Diese kurze Einführung richtet sich an interessierte Studenten und Laien und erhebt nicht den Anspruch einer wissenschaftlich historischen Arbeit. Die Abwesenheit von Fußnoten bitte ich daher zu verzeihen. Ich bitte außerdem darum, mich vor der Verwendung in irgendeiner Form zu benachrichtigen.

 


 

VII. Die Leg III Italica in der Spätantike

 

 

Um 270 wurden Zivilstadt und Garnisonslager der II Italica in Lauriacum (Lorch) in Noricum durch Feuer größtenteils zerstört. In Regensburg tobte ebenfalls ein Großbrand, aber die Datierung ist unsicher. Nach den spärlichen Münzfunden könnte dieses Großfeuer Anfang der 70er Jahre stattgefunden haben, wahrscheinlich aber eher in den frühen 80ern. Offenbar hatten die Germanen einmal mehr den Abzug römischer Elitetruppen ausgenutzt. Das Lager wurde zwar erneut aufgebaut, aber nicht mehr so gründlich wie nach den Zerstörungen in den 40er Jahren. Von einem Magazingebäude an der Innenseite der Ostmauer ließ man einfach die Ruine stehen. Nach der Zerstörung der Zivilsiedlungen lebten die Reste der Bevölkerung in der spätrömischen Zeit ebenfalls mit im Lager.

  

Um 278 führte Kaiser Probus [276-282] einen Feldzug in das inzwischen aufgegebene Gebiet zwischen Rhein und Donau, wo sich allmählich die Allamannen und Burgunder ansiedelten. Raetien scheint dadurch entlastet worden zu sein, aber 282 war die Provinz schon wieder Schauplatz eines Militärputsch, als – wohl in Kooperation mit der II Italica in Noricum – der Prätorianerpräfekt Carus auf den Thron gehievt wurde.

 

Im Jahr 285 führte ein neuer Kaiser namens Diocletian [284-305] ein neues Herrschaftskonzept ein, indem er einen weiteren Offizier, einen gewissen Maximian, zuerst zum Caesar (Unterkaiser) ernannte, und dann 286 zum Mit-Augustus. Ein Mehrfachkaisertum hatte es bis dahin gelegentlich schon gegeben, aber fast nur unter Verwandten (dynastisches Prinzip). Jetzt wurde der ‚Kollege’ aus dem Kreis bewährter Spitzenoffiziere ausgewählt.

Während sich Diocletian um Donau- und Persergrenze kümmerte, wurde Maximian der Westen des Reiches zur Sicherung anvertraut.

 

Abb. 11: Antoninian des Diocletian – IMP(erator) DIOCLETIANUS AUG(ustus) – IOVI CONSERVAT(ori) AUGG(ustorum) „Für Jupiter, der die beiden Kaiser beschützt [= Diocletian und Maximian]“
(Foto: Institut f. Klass. Archäologie Universität Regensburg)

 

Zu dieser Zeit hatte sich die Lage in Raetien aber schon wieder so sehr verschlechtert, dass Diocletian selbst in der Provinz gegen die Allamannen vorrücken musste, obwohl er doch eigentlich für den Osten zuständig war. Sein westlicher Kollege Maximian hatte jedoch mit den Franken und einer Abspaltung Britanniens bereits alle Hände voll zu tun. Durch diesen Allamannenfeldzug, der wahrscheinlich im Jahr 288 stattfand, wurden angeblich sogar die Donauquellen wieder römisch. Dies ist wohl Propaganda, aber der römische Vorstoß (von der Illermündung aufwärts?) könnte sich schon bis in den südlichen Schwarzwald erstreckt haben.

 

294 wurde die Zweikaiserherrschaft zu einer Vierkaiserherrschaft (Tetrarchie) erweitert. Die Lage des Imperiums besserte sich zusehends, doch nach dem Rücktritt Diocletians (305) und dem Tod von Constantius Chlorus (306), einem der beiden nächsten ‚Hauptkaiser’, brachen wieder zahlreiche Bürgerkriege aus. In diesen setzte sich nach fast zwei Jahrzehnten schließlich Konstantin der Große [306-337] durch.

 

Konstantin (oder bereits Diocletian?) baute das schon vorher in Grundzügen vorhandene System der mobilen Feldarmee (‚Bewegungsheer’) weiter aus. Dafür wurden die besten Einheiten von den Grenzen abgezogen, um in Bereitstellungsregionen weiter im Inland stationiert. Diese Eliteverbände konnten im Bedarfsfall schnell verschiedene Krisenregionen erreichen. Die Grenzverteidigung wurde dadurch geschwächt, aber die unmittelbaren Grenzgebiete waren sowieso bereits stark zerstört. Auch die Leg III Ital musste Truppen für dieses neue Strategiekonzept abgeben, denn zum illyrischen Feldheer, also der mobilen Balkanarmee, gehörte eine III Italica (sive Tertiani)„die Dritten“.

 

Wie die Verteilung der in Raetien zurückgebliebenen Truppenverbände aussah, verrät eine um 400 entstandene Ämterliste (Notitia Dignitatum). Danach unterstanden die Einheiten in der ersten und zweiten raetischen Provinz (Raetien war inzwischen geteilt worden) einem dux limitis („Grenzherzog“) bzw. dux provinciae Raetiae primae et secundae. Dazu gehörten drei Eliteeinheiten Kavallerie (equites stablesiani), drei Alen und sieben Kohorten (fast alles Neuaufstellungen, da nur wenige alte Auxiliareinheiten das 3. u. 4. Jh. überlebt hatten), einige weitere Verbände – und nicht weniger als 5 (!) Fragmente der Leg III Ital.

 

Diese könnten einen Sollbestand von je etwa 1000 Mann gehabt haben, allerdings waren die tatsächlichen Zahlen wohl stets niedriger. Außerdem strichen Offiziere gerne den Sold für Soldaten ein, die auf dem Papyrus noch irgendwo Dienst taten, in der Realität aber längst irgendwo verwesten.

 

 

Von diesen 5 Legionsbruchstücken waren zwei für Versorgungsaufgaben zuständig:

  • Praefectus legionis tertiae Italicae transvectioni specierum deputatae, Foetibus.

= Präfekt der Leg III Ital, Abteilung zur Sicherung der Heereszufuhr, in Foetibus (Füssen)

  • Praefectus legionis tertiae Italicae transvectioni specierum deputatae, Teriolis.

= Präfekt der Leg III Ital, Abteilung zur Sicherung der Heereszufuhr in Teriolis (Zirl bei Innsbruck).

 

Die Abteilung in Zirl schaffte wahrscheinlich die über den Brenner aus Norditalien herangekarrten Lebensmittel über den Seefelder Sattel zu der anderen Versorgungsabteilung nach Füssen. Von Füssen aus konnten die Lebensmittel mit Booten und Flößen das Lechtal abwärts weitertransportiert werden, um die Abteilung in Summuntorim (Burghöfe s.u.) u.a. Einheiten zu versorgen. Eine Landverbindung von Füssen nach Nordwesten führte nach Cambodunum/Kempten, von wo aus die Truppen am Fluss Iller versorgt werden konnten. An diesem Fluss verlief seit Aufgabe des transdanubischen Limesgebiets ja die neue Westgrenze der Provinz Raetia II. Dass extra zwei Legionseinheiten abgestellt werden mussten, um Lebensmittel aus Oberitalien weiterzureichen, wirft ein bezeichnendes Licht auf die Versorgungssituation im spätrömischen Raetien. Andererseits belegt die um 200 in Trient gesetzte Inschrift (s.o. II), dass das Heer in Raetien selbst in der Blütephase der Provinz zumindest gelegentlich auf Zufuhr aus Italien angewiesen war.

 

Die übrigen drei Legionsfragmente waren dann für die unmittelbare Grenzverteidigung zuständig:

  • Praefectus legionis tertiae Italicae partis superioris, Castra Regina, nunc Vallato.

= Präfekt der Leg III Ital, obere Abteilung, in Regensburg, jetzt (aber) in Vallatum (Manching oder Weltenburg ?).

  • Praefectus legionis tertiae Italicae partis superioris deputatae ripae primae, Submuntorio.

= Präfekt der Leg III Ital, obere Abteilung, zuständig für den ersten Uferabschnitt, in   Submuntorium (Burghöfe bei Mertingen, südlich Donauwörth).

  • Praefectus legionis tertiae Italicae pro parte media praetendentis a Vimania Cassiliacum usque, Cambidano.

= Präfekt der Leg III Ital, Vorhut für den mittleren Abschnitt von Vemania (Isny) bis Cassiliacum, in Cambodunum (Kempten).

 

Warum der Präfekt der Regensburger Rumpfeinheit – wohl zusammen mit seinen Truppen – irgendwann von Regensburg nach Manching (?) oder Weltenburg (?) verlegt wurde, ist nicht bekannt. Für Regensburg selbst werden keine Einheiten angegeben, aber vielleicht waren dort höherstehende Truppen stationiert worden, die in der Ämterliste nicht aufgeführt wurden.

Das Legionsfragment in Burghöfe überwachte den Anmarschweg zur nahegelegenen Provinzhauptstadt Augsburg. Vermutlich war diese Einheit auch mit Ruderschiffen ausgerüstet und kontrollierte die großen Donausumpfgebiete westlich und östlich der Lechmündung.

Das Legionsfragment mit Hauptbasis Kempten wird die Verteidigung der Illerlinie unterstützt haben.

 

Diese Truppen- und Ämterauflistung um 400 ist die letzte Nachricht der Leg III Ital, danach verschwindet sie aus der Geschichte. Was mit ihren Überresten noch geschah, weiß niemand. Die Grenzverteidigung Raetiens blieb wohl noch bis Mitte des 5. Jh. rudimentär erhalten, zerbröselte aber immer mehr. Bezeichnend ist ein Vorfall aus der Zeit des heiligen Severin (Ende 5. Jh.). Eine kleine Gruppe Soldaten aus Boiotro (Passau) machte sich auf den Weg nach Italien, um den schon lange ausstehenden Sold für die kümmerlichen Reste ihrer Garnison einzufordern. Sie wurden aber auf dem Weg von Räubern ermordet.

Regensburg wird in der Heiligenvita Severins gar nicht mehr erwähnt.